GE - „Einfach nur glücklich“: Eynatten steigt wie der Phönix aus der Asche
Eine lange Zeit völlig verkorkste Saison hat ihr Happy End gefunden: Wie der Phönix aus der Asche erhob sich der HC Eynatten-Raeren im richtigen, im letzten Moment aus seinem Tief und löste über einen 37:21-Kantersieg gegen Kortrijk sein Ticket für die elfte Saison in der 1. Division.
Da brachen alle Dämme: Mit einem fulminanten Schlusssprint tüten die Eynattener den Klassenerhalt ein. | Fotos: Bernd Rosskamp)
So richtig konnten es die Eynattener selbst nicht fassen. Noch lange nach dem Abpfiff wehte einem an der Lichtenbuscher Straße immer wieder derselbe Satz ins Ohr: „Das hätte ich nie gedacht.“ Eine wahre Seuchensaison, in der der HCER vom 7. September bis zum 30. März nur einen einzigen Sieg eingefahren und die klassische Meisterschaftsphase als abgeschlagenes Schlusslicht beendet hatte, gipfelte tatsächlich noch im Klassenerhalt – sogar am vorletzten Spieltag.
Um ziemlich genau 21.30 Uhr war das Wunder vollbracht. In den 60 Minuten zuvor hatte es bereits immer konkretere Formen angenommen. Wobei, streng genommen hatte der Klub schon Mitte März die Weichen gestellt. Mariusz Kedziora und Jörg Kirchhoff übernahmen in höchster Not das Ruder von Harold Nusser und Nick Onink – und sie rissen es mit einem Unentschieden und drei Siegen herum. „Feuerwehrmann Mariusz hat wieder zugeschlagen“, brachte Kapitän Benjamin Deutz es lachend auf den Punkt, denn bereits vor einem Jahr hatte Kedziora die KTSV Eupen zum Verbleib in der Super Handball League geführt.
Dass in dieser Saison tatsächlich irgendwann einmal „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ durch das Grenzdorf schallen und der Hallenboden mit Sekt getauft werden durfte, kann getrost unter der Kategorie „kleines Wunder“ klassiert werden. „Man kann Harold und Nick nicht alles ankreiden, es war auch von unser Seite aus lange nicht genug für die 1. Division. Trotzdem haben wir uns über den Wechsel gefreut, denn es brauchte neue Impulse und neue Energie. Mariusz und Jörg haben sie uns gegeben. Jetzt sind wir einfach nur glücklich“, freute sich Benjamin Deutz.
Er und Yuri Hougardy trugen mit ihrer jeweils fast zweistelligen Anzahl Tore maßgeblich dazu bei, dass den Fans spätestens ab der zweiten Halbzeit keine Schweißperlen mehr auf die Stirn traten. „Das Spiel ist gelaufen“, tippte ein Zuschauer in der 38. Minute, als Benjamin Deutz gerade einen Siebenmeter zum 24:13 verwandelt hatte.
HCER-Kapitän Benjamin Deutz präsentierte sich gegen Kortrijk in Torlaune.
Von Sekunde eins an entwickelte sich eine einseitige Partie, schon früh warf Egor Sphak Eynatten per Konter zur Zweistelligkeit (10:4, 12.). Wer den HCER zum ersten Mal in dieser Saison sah, wunderte sich unweigerlich: Hier soll monatelang die Rote Laterne gebrannt haben? „Seit Wochen trainieren wir wie verrückt und sind jedes Spiel in den Play-downs wie ein Finale angegangen. Denn nur die Siege der vergangenen Wochen haben uns dieses echte Finale ermöglicht“, erklärte Linksaußen Yanis Thevissen: „Wir standen uns in dieser Saison so oft selbst im Weg, lagen gegen Mannschaften, die mittlerweile die Play-offs spielen, meistens nur mit zwei, drei Toren zurück. Da fehlte uns immer das Glück. Aber heute haben wir fast alles getroffen.“
Zudem leistete sich der HCER auffällig wenig technische Fehler, wo ihre Anzahl früher gerne mal die 20-Marke überschritten. Mit dem wachsenden Vorsprung kamen Sicherheit und Selbstvertrauen: Simon Werding parierte einen Siebenmeter (14:8, 22.), Jan Kirchhoff schickte Maxence Grosnickel und Toni Petrovic mit langen Pässen zum Torerfolg (17:9, 25.), am Ende drehte Grosnickel den Ball sogar mit Effet ins Netz (36:19, 53.) – da klatschte sich die Bank längst siegessicher ab.
„Oft fehlte uns das Glück, aber heute haben wir fast alles getroffen»; jubelte Yanis Thevissen (Mitte)
„Es war ein sehr langer Nachmittag, ab 15 Uhr habe ich immer wieder nervös auf die Uhr geschaut“, berichteten Yanis Thevissen und Benjamin Deutz quasi unisono, Letzter fügte an: „Jeder hatte Bock, wollte diesen Sieg und den Klassenerhalt. Das Resultat zeigt, wie viel Energie in uns steckte.“
So reservierte der HCER sein Ticket für die elfte aufeinanderfolgende Saison in der 1. Division, fährt am kommenden Samstag ganz entspannt zum ebenfalls geretteten Hubo, während Atomix (fünf Punkte) im direkten Abstiegsduell mit Kortrijk (sieben) unter Zugzwang steht.
Bleiben die Feuerwehrmänner? „Erst genießen, dann angeln“
Die letzten zehn Sekunden zählte die vollbesetzte Halle runter, dann war die Rettungsmission von Mariusz Kedziora und Jörg Kirchhoff vollendet. Aus einem scheinbar sicheren Absteiger zauberten die beiden Interimstrainer innerhalb eines Monats eine Mannschaft, die sich unter anderem über zwei Kantersiege gegen Kortrijk (33:25 und 37:21) am vorletzten Spieltag den Klassenerhalt sicherte.
Mariusz Kedziora (links) und Jörg Kirchhoff retten Eynatten.
Aber wie? Was sorgte für den Klick? „Erstmal haben wir an der Psyche gearbeitet“, blickt Jörg Kirchhoff zurück: „Die Jungs mussten den Glauben an sich selbst wiederfinden. Natürlich ist es schwer, in der kurzen Zeit auf alle Themen einzugehen, deshalb haben wir uns auf die wichtigsten konzentriert: Abwehr stabilisieren und taktische Einstellung auf die Gegner. Qualität und Variabilität waren ja vorhanden, nur die Erfahrung und das Selbstvertrauen fehlten. Wir haben knallhart gearbeitet, die Siege kamen nicht durch Zufall. Ich muss auch sagen, dass die Zusammenarbeit mit Mariusz sehr bereichernd war, da stimmte die Chemie sofort.“
Ein Kompliment, dass Kedziora umgehend zurückgab. Drängt sich natürlich die Frage auf, ob aus der Interimslösung nicht vielleicht eine längerfristige wird? „Erst einmal genießen wir diesen Abend – und danach gehen wir gemeinsam angeln“, vermied das Duo eine konkrete Antwort, ehe Kedziora anfügte: „Wir sind beide nicht weit von der 60 entfernt. Irgendwann müssen auch mal junge Trainer kommen, auch wenn es immer weniger Nachwuchs auf der Position gibt.“
Für den HC Eynatten-Raeren spielten und trafen: Simon Werding, Salvatoe Guarneri – Benjamin Deutz (9), Yanis Thevissen (1), Egor Sphak (2), Julian Kirschbaum (3), David Halter (1), Kyllian Apa, Toni Petrovic (4), Yuri Hougardy (9), Elias Winter, Jan Kirchhoff (4), Ethan Schreurs, Maxence Grosnickel (3), Maxime di Giacomo, Wim Zimmermann (1)